Nun ist es passiert: ein AI-generiertes Bild gewinnt einen renommierten und nicht unbedeutenden Fotowettbewerb. Ein Fotograf namens Boris Eldagsen hat in der vergangenen Woche deutliche Kontroversen ausgelöst, nachdem ein von einer KI (künstliche Intelligenz) generiertes Bild, das er einreichte, den ersten Preis bei einem der renommiertesten Fotowettbewerbe der Welt gewonnen hatte.
Eldagsen, ein nach eigener Aussage in Berlin lebender „Foto & Medienkünstler“, nahm an den diesjährigen Sony World Photography Awards teil. Die Preise des Sony-Wettbewerbs wie 5.000 US-Dollar in bar, eine Kameraausrüstung, eine Reise nach London zur Preisverleihung und Promotion durch die begleitende Ausstellung bzw. Publikation (Buch), können sich durchaus sehen lassen.
Eldagsen reichte ein Bild mit dem Titel „The Electrician“ in der Kategorie „Creative“ des Sony-Wettbewerbs 2023 ein. Auf diesem ist augenscheinlich ein Porträt zweier Frauen zu sehen, das einem fotografischen Verfahren bzw. Bildlook (Wetplate Look) aus den Anfängen der Fotografie angelehnt ist. Das Foto ist Teil einer Serie mit dem Titel PSEUDOMNESIA: Fake Memories, an der Eldagsen seit 2022 arbeitet.

Quelle: https://www.eldagsen.com/sony-world-photography-awards-2023/
„Pseudomnesie ist der lateinische Begriff für Pseudogedächtnis, ein falsches Gedächtnis, etwa eine falsche Erinnerung an Ereignisse, die nie stattgefunden haben, im Gegensatz zu einer bloß ungenauen Erinnerung“, schreibt die Künstler auf seiner Projektseite. „Die folgenden Bilder wurden mit Hilfe von KI-Bildgeneratoren (Künstliche Intelligenz) koproduziert.“
In der Bildsprache der 1940er-Jahre inszeniert Boris Eldagsen seine Bilder als falsche Erinnerungen an eine Vergangenheit, die nie stattgefunden hat, die niemand – nicht einmal er selbst – fotografiert hat.
Diese Bilder wurden durch Sprache (Deskriptiv) bzw. Prompts in einer AI generiert bzw. imaginiert. Und mehrmals durch KI-Bildgeneratoren neu bearbeitet bzw. remixed. Zusätzlich kam im Workflow ein Retouching zum Einsatz.
Die gute Nachricht: Obwohl das KI-generierte Bild in der Kategorie „Creative“ gewann und als Gesamtsieger dieser Kategorie ausgewählt wurde, weigerte sich Eldagsen im Anschluss, den Preis anzunehmen. Seine Gründe erläuterte er in einem offenen Brief an die Organisatoren des Wettbewerbs, in dem er den Sieg als künstlerisches Experiment bezeichnete, um das Gespräch über das Thema „AI generierte Fotografie?“ zu beschleunigen.
In seinem Brief schrieb Eldagsen weiter: „KI-Bilder und Fotografie sollten bei einer solchen Auszeichnung nicht miteinander konkurrieren. Sie sind verschiedene Wesenheiten. KI ist nicht Fotografie. Deshalb werde ich die Auszeichnung nicht annehmen.“
Eldagsen fügte ferner hinzu, dass er hoffe, dass die Ablehnung des Preises eine offene Diskussion darüber auslösen wird, was wir als Fotografie betrachten und was nicht, und ob der Schirm der Fotografie groß genug ist, um KI-generierte Bilder zur Teilnahme als eigenständiges Genre einzuladen.

Quelle https://www.eldagsen.com/sony-world-photography-awards-2023
Die Sony World Photo Organization hat sich bisher nicht zu Eldagsens Sieg und der daraus resultierenden Kontroverse geäußert.
Dieser Vorfall verdeutlicht die Tatsache, dass die Kunstwelt gar nicht oder nur schlecht auf die schnelle Weiterentwicklung von AI-generierter Fotografie vorbereitet ist. Und das vor allem jetzt, wo gegenwärtig das Thema, wie aus dem Nichts, durch Projekte wie Midjourney und DALL-E befeuert wird.
Die Frage steht nun natürlich im Raum: inwieweit kann bzw. darf ein Bild, welches ohne Kamera oder Licht erstellt wurde, einen der höchstdotierten und renommierten Fotopreise erhalten. Zumal es sich nicht um Fotografie im klassischen Sinne verhält. Eldagsens Ablehnung des Preises hat nun das notwendige Öl ins Feuer gegossen, dass diese Diskussion wohl als dringenden Zündfunken benötigt hat.
Denn eines ist klar und nun dringender als bisher zu diskutieren: inwieweit wird der Sachverhalt, das Fotografien nun nicht mehr Kamera- und realitätsbasiert sein können, für den Rezipienten deutlich sichtbar und erkenntlich? Mit einer zunehmenden Verbreitung von KI-generierten Bildern in der Fotografie und Kunstwelt wird das Thema eine wachsende Bedeutung bekommen.
Noch dringlicher wird aber das Anstoßen des Diskurses für KI-generierte Bilder sein, die in Medien Verwendung finden. Denn hier hat deren Authentizität und Ursprung eine andere Relevanz und der hier angerichtet Schaden könnte um ein Vielfaches größer sein.
PS: Für alle weiter am Thema interessierten: Auf der Webseite von Boris Eldagsen berichtet er über den Fortgang des Projekts bzw. der Reaktion der Sony-Wettbwerbsorganisatoren.

Mehr zum Thema AI Generated Photography ist im Beitrag
AI generierte Bilder – Midjourney v5 – Fotografie quo vadis? zu finden
Kompliment an Eldagsen … Die Juroren haben scheinbar nichts verstanden …
Ich finde das Projekt auch sehr interessant, wenn es als Kunstprojekt gedacht ist: da es aufzeigt, dass die Juroren scheinbar gar nicht auf das Thema vorbereitet waren. Bzw. das Thema auch nicht im Nachgang zur Diskussion gebracht wird, um bei kommenden Wettbewerben darauf vorbereitet zu sein.
Wie gesagt finde ich es fast noch fahrlässiger, dass auch im Bereich der Medien (künstlich erstellte Bilder/Authentizität) die Diskussion noch nicht stattfindet.
Denn hier ist der Weg zur Manipulation der öffentlichen Wahrnehmung und Meinung nur ein kurzer.
Gut das er den Preis zurück gegeben hat. Es sind ja auch ganze verschiedene Arten von Kunst …..
Ja das stimmt und vielleicht wird hier auch ein neues Genre geschaffen (AI generated Art). Um das Thema in den Fokus zu rücken hat mit seinem Beitrag schon einmal funktioniert.
Alle Achtung vor Eldagsen!!! Möchte nicht wissen, wieviel Personen, einen Preis entgegen nehmen und ihren Mund halten. Da fragt man sich schon, ob man noch an Fotowettbewerben teilnehmen soll.
Liebe Grüße, Roland
Die selbe Frage hab ich mir auch gestellt. Was sind dann noch als faire Wettbewerbsbedingungen anzusehen? Zumindest bei der Einreichung sollte doch gefragt werden fotografiert/bearbeitet oder künstlich (ohne Kamera) generiert. Mal sehen wie sich das Thema entwickelt.