So jetzt ist es passiert: Ich habe einige Photoserie in der AI erstellt. Doch das hat im Anschluss dann doch viele Fragen offen gelassen. Was fange ich mit dem Ergebnis an? Ist das nun eine Serie von mir? Wie verhält sich das Thema zu Fotografie im klassischen Sinne? Zeit für eine Reflexion und ein paar Thesen, wie AI Generated Content im Thema Fotografie eingeordnet werden könnte.
Was braucht es, um eine AI-Foto-Serie zu erstellen?
Als erstes wollte ich für mich herausfinden, wie einfach ist es eine Serie aus einer Idee entstehen zu lassen? Die Antwort – sehr einfach, mit wenig Zeitaufwand verbunden. Für die Umsetzung benötigt es nur die Infrastruktur (in meinem Fall die AI Midjourney auf einem Discord Server). Mit etwas Einlesen ist man hier in kurzer Zeit startklar.
Als nächstes – und aus meiner Sicht das Wesentliche – braucht man eine eine Idee (in meinem Fall: LITTLE ITALY 1950ies war im Kopf).
Zum Prozess: die AI wird mit der Idee bzw. mit “prompts” gefüttert (/imagine -> plus die Bildbeschreibenden Begriffe, die die AI als Basis für die Bilderstellung nutzen soll). Und schon kommen die Ergebnisse. Dies können dann verfeinert, variert und im Anschluß in den eigenen Fotoworkflow übertragen werden.
Bildserie LITTLE ITALY 1950ies (AI-Generated Content) by Bilderausstrom.com
Die Serie LITTLE ITALY ist inspriert vom Bildllook der 50er Jahre und was mich hier wirklich beeindruckt hat, wie mit den entsprechenden Prompts (an den AI-BOT) die entsprechenden Details und Elemente sichtbar wurden (ob Stimmung (Hhektik/Entspannt), Blick und Richtung oder Details (Menschenmenge, Vespa, Cafe-Situation, Kleid))
Und dass die AI auch ihre Tücken hat sieht man am ersten Bild (Finger/Anzahl) 😉 )
Wie weit kann ich die Inhalte der AI Fotos steuern?
Ich würde sagen sehr weit. Selbst kleinest Details (Stimmung Hektik, schnelle Menschenmasse bzw. entspannt und wenig Menschen, ruhig im Hintergrund) können durch die Beschreibung gesteuert werden.
Auch fotografische Dinge, wie Blick in Kamera oder Details können definiert werden. Hier habe ich einfach die Idee (Ort, Pose, Blick, Ausstattung, Licht, Kamera/Objektiv, Ausstattung, und Bildllook) beschrieben.
Das heißt der Input (Text) an die KI ist eine Übersetzung der eigentlichen Idee durch Begriffe, die der AI die Aufgebe stellen: “Imagine” (stell Dir vor).
Das Ergebnis hat mich umgehauen, ja die Vorstellung der Bildidee wurde von der KI perfekt getroffen. Weil ich es so gut beschrieben habe? Weil ich eine so herausragende Idee hatte? Weil die AI so mächtig ist? Ich weiß es nicht.
Und wie fühlt es sich an? Ein Bild von mir – NEIN. Eine Bildidee von mir – JA.
Und da komme ich auch schon auf den eigentlichen Punkt dieses Artikels und meiner Auseinandersetzung mit den gezeigten Bildserien.
Welchen Einfluß hat AI auf meine Fotografie?
Ich würde sagen in erster Linie ist “Fotografie” immer noch etwas selbst produziertes aus einer Idee entstanden. Aber das ist die Serie aus der AI ja auch, oder?
Ja schon, aber ich habe im Produktionsprozess die Kontrolle abgegeben, mich zurück gelehnt und auf das Ergebnis gewartet.
Irgend etwas fehlt also: der Prozess? Die Kamera als Interface und haptisches Tool?
These 1: Fotografie entsteht aus einer Idee, eine Beschreibung dieser Idee an etwaige Protagonisten (Model, Assistent, Stylistin) und benötigt einen Produktionsprozess (Erschaffen), den der Fotograf übernimmt und dafür verantwortlich ist.
Urheberschaft am Werk = Stolz am Werk?
Als die Serie “Little Italy 1950ies” fertig auf meinem Rechner war, stellte sich die Frage, was stell ich damit an? Ist es ein #portraitFREITAG Beitrag?
Von der Ästhetik ja, aber irgendwie fühlt es sich nicht richtig an, nicht richtig von mir erschaffen, mir gehörend. Keine wirkliche Serie von mir.
Wo stecke ich so etwas hin (eigene Kategorie)? Und wie verhält es sich zum Rest meiner Arbeiten, die 100% von mir stammen?
These 2: Fotografie ist die Erschaffung eines Werkes. Sie benötigt eine Urheberschaft, die gleichzeitig die vollen Rechte (und Pflichten) beinhaltet. Auf emotionaler Ebene macht das Werk stolz, man möchte es zeigen, da man die 100% künstlerische Idee/Produktion verantwortet
Bildserie PAPERWORLD (AI-Generated Content) by Bilderausstrom.com
Die Serie PAPERWORLD wurde mit PROMPTS wie Bokeh, Abstract und Licht gefüttert. Und auch hier war ich wieder überrascht, wie nahe die AI an meine Idee und Vorstellung gekommen ist. Fast wie ein Drucker der Gedanken (unheimlich oder faszinierend?).
Braucht es da “Eisvogel-Prinzip” – Kennzeichnung AI?
Gut gesetzt der Fall, die Serie (wie in diesem Falle) wird nach Außen gezeigt: was ist dann wichtig? Nun ich würde sagen aus meiner Perspektive, ein Hinweis an den Rezipienten (das Bild wurde mit AI/KI erstellt) wäre mir wichtig.
Vielleicht ähnlich des Eisvogel-Prinzips. Hier wird über den Schwierigkeitsgrad bzw. der Situation unterschieden, nach dem der nicht gerade einfach abbildbare Vogel fotografiert wurde.
Und zwar nach “Im Käfig/Zoo” fotografiert, “angefüttert in freier Wildbahn” (von einem festgelegten, teilweise buchbaren Ansitz fotografiert) oder “freilebend/freifliegend” fotografiert. Ich hatte hierüber mal auf einem Blog eines Vogelfotografs gelesen. Seine Absicht hinter dieser Kategorisierung hatte ich verstanden (Fairnessgründe, wie ist das Bild entstanden?), aber ist diese “Kennzeichnungspflicht” umsetzbar?
Vermutlich nicht – aber fair wäre es allemal, zumindest bei Wettbewerben hier eine Unterscheidung bzw. ein eigens Genre zu schaffen. Letztendlich wird auf allen drei Formaten ein Eisvogel sichtbar – der Schwierigkeitsgrad des Moments (Fotografieren) ist für den Betrachter in der Regel eher zweitrangig.
Und übertragen auf AI wäre hier eventuell die Lösung, es eine Unterscheidung bzw. ein eigens Genre in der Fotografie zu schaffen.
Aber sieht dies derzeit jeder so? Wenn ich mir die Social Media Kanäle (Instagram, 500px) ansehe – Nein. Hier wird derzeit klassische Fotografie mit viel AI-produzierter Fotografie vermischt. Wie das Beispiel des Sony-Fotowettbewerbs gezeigt hat. Zumindest sollte ein Bewusstsein geschaffen werden, um AI von realer Fotografie (aus Rezipientensicht) unterscheiden zu können
These 3: Fotografie sollte, im Falle einer AI-Erstellung (-unterstützung) gekennzeichnet werden. Ein Bewußtsein in der breiten Öffentlichkeit, “was ist ein AI-erstelltes Bild” wäre hier sicherlich hilfreich.
Bildserie METROPOLIS (AI-Generated Content) by Bilderausstrom.com
Die Serie METROPOLIS ist an den Film angelehnt. Die Prompts waren daher filmbezogene Tags. Und auch hier war ich überrascht wie stark sich der Look in diese Richtung bzw. meine Detailbeschreibung anpassen ließ.
Was ist Fotografie, Fotorealismus, Composing und wie verhält sich AI (Artificial Intelligence) dazu?
Seit jeher ist die Fotografie ein disruptives Medium. Schon bei ihrer Einführung 1835 sah sie sich Kritik der klassischen, bis dahin vorherrschenden Salonmalerei ausgesetzt, zu der sie in Konkurrenz trat. Da sie reeller, schneller und wirklichkeitsnaher abbildete, sah sie sich dem Kritikpunkt der Nichtkunstfähigkeit ausgesetzt. Und auch wenn sich die Fotografie in vielen Facetten und in Genres – auch dem der künstlerischen Fotografie – änderte, so war doch die Technik stets einer der Impulsgeber für diesen Wandel. Ob Filmformate, Kompaktheit und damit verbunden Mobilität, Objektivgüte, Verschlusstechnik, Farbfilm, Polaroid oder Digital-Fotografie, stets entwickelte sich Fotografie als Begriff, Sparte und Medium weiter.
Fotorealistische Malerei (mit Digital Techniken) wie zum Beispiel von Bert Monroy praktiziert ist sicherlich ebenso schwer als Fotografie einzuordnen, als beispielsweise künstlich generierte Bilder in Composings eines Uli Staigers oder aus AI entstehende Bilder. Alle 3 Genres beinhalten eine kreative Idee, ein “fotografisches” Herangehen ohne Kamera und eine Umsetzungsart die etwas Neues, bisher nicht dagewesenes, so nie stattgefundenes darstellt.
Vielleicht ist der wesentliche Unterschied zur Fotografie, dass diese mit einem Apparat (Kamera) abbildet (wirklichkeitsnah) und darstellt (nach kreativer Vorstellung). Und auch, wenn das Abgebildete nicht tatsächlich stattgefunden hat (Beispiel einer inszenierten Szene), so hat doch der Moment der Aufnahme stattgefunden.
These 4: Fotografie ist ein Medium im Wandel, dass darstellt und einen tatsächlich stattgefundenen Moment oder ein Ereignis darstellen kann (in künstlerischer Interpretation oder Sichtweise).
Ab wann ist AI-Optimierung denn AI-Generierung?
Ein namhafter, von mir eigentlich für seinen Stil durchaus geschätzter Fotografenkollege hatte vor kurzem einem Fotografen, der AI-generierte Bilder gepostet hatte, diesem vorgeworfen, diese nicht als AI-generated gekennzeichnet zu haben bzw. diese als eigenproduzierte Fotografien auszugeben. In diesem Punkt stimme ich ihm zu.
Was aber auffällig ist, die Bilder beider Fotografen sahen in Look und Bildsprache sehr ähnlich aus. Wobei die Bilder des erstgenannten bereits 2-3 Jahre alt sind. Warum die Ähnlichkeit? Nun, er setzt bereits seit Jahren AI in der Bildretusche (Gesichter) ein. Mit dem Ergebnis, dass auf diesen der ursprüngliche Mensch nicht mehr zu erkennen ist. Auch wenn das Ausgangsbild eine von ihm erstellte Fotografie ist – so ist doch das Endergebnis gänzlich optimiert und künstlich generiert (mit AI als Tool).
Hier würde ich wieder auf These 1 (Fotografie und Moment) verweisen:
Ja, das Shooting hat statt gefunden, der Rest wurde aber dank AI und Retouche/Composing ebenso verändert, dass etwas komplett Neues entstanden ist.
Sein gegenwärtiges Dilemma verstehe ich, denn seine Bilder und sein Portfolio sehen nun aus, als wären sie gänzlich mit AI generiert worden.
Ist Fotografie völlig frei von AI? Wie viel AI in den eigenen Bildern steckt, kann ein einfacher Blick auf Workflow und Tools beantworten.
These 5: Die Grenzen in der Fotografie sind fließend. Diese zu bestimmen kann nur jeder für sich selbst. Die Grenzen der Optimierung sollten nicht an ein AI-nahes Ergebnis führen, denn dann ist auf das Reelle “künstlich generiert”.
Bildserie MOTORAZER (AI-Generated Content) by Bilderausstrom.com
Die Serie MOTORAZER ist inspiriert von den 60er Jahre, dem Motorsport der Zeit und dem SCIFI Pop-Art Look der Zeit bzw. des Zeitgeists. Auch hier hat die AI die entsprechenden Begriffe und Tags (+ Fotobeschreibung Licht, Kamera, Optik, …) passgenau umgesetzt.
Ab wann ist AI in der Fotografie “verwerflich”?
Diese Frage mag ich nur mir selbst stellen. Und meine Antwort wäre, “wenn falsche Tatsachen” zu Technik, Entstehung, Moment vorgetäuscht werden, die suggerieren, das Bild wäre tatsächlich fotografiert worden (s. Wettbewerbsthema und vorherige Thesen Fotografie).
These 6: AI-generiertes sollte im Generellen nicht als “Realfotografie” ausgegeben werden.
Fazit – Fotografie oder doch “nur” Bild?
Das Erstellen von Fotoserien mit einer AI aus kreativer Sicht macht Spaß. Die ursprüngliche Bildidee mit Schlagworten zu unterfüttern und das darauf basierende Ergebnis der AI-generierten Bilder zu erhalten ist faszinierend. Das Steuern des Ergebnis mit fotografischem Wissen (Licht, Szene, Bildaufbau) reizt das Potenzial der KI noch mehr aus.
ABER: es fehlt der Moment, das tatsächliche Erschaffen, der Prozess des Fotografierens und auch letztendlich die “Wertigkeit” des Bildes, da es in der Bilderflut beliebig schnell verändert und verworfen werden kann.
Aus meiner Sicht sind AI-generierte Bilder keine Fotografien sondern Bilder. Wünschenswert, wenn AI Generated Content als solcher gekennzeichnet ist.
Offen bleibt, wem am Ende Lob und Werk gehören bzw,. zustehen. Demjenigen mit der kreativen Idee, dem Schreibers der Prompts, dem Entwickler des Codes und der Plattform oder am Ende doch wieder den Kreativen, von deren Werk die KI ihren Algorithmus gelernt hat?
“Die Macht ist vom Besitzer der Gegenstände auf den Programmierer und Operator übergegangen. Der “Apparat” ist ein komplexes Spielzeug, so komplex, daß die damit Spielenden es nicht durchblicken können: sein Spiel besteht aus Kombinationen der in seinem Programm enthaltenen Symbole, wobei dieses Programm von einem Metaprogramm eingetragen wurde und das Spielresultat weitere Programme sind.”
fast schon prophetisch mutet die Einordnung von Vilem Flusser – von Apparat, Fotografie und dem Gegenständlichen: Abbildungshoheit – aus dem Jahr 1990 an (Für Eine Philosophie der Fotografie)
Das Genre AI-generated finde ich sie spannend – nur sollten die Ergebnisse eben nicht als “echte” Fotografien ausgegeben werden. Während der Pandemie wäre es DAS Thema schlechthin gewesen. Virtuelles Fotografieren wäre das Thema der Stunde gewesen, da “richtiges” Fotografieren ja nicht stattfand bzw. erlaubt war.
Aber was nun damit anfangen, wie einordnen? Die Frage wird sicherlich noch einige Zeit im Raum stehen. Und das Thema nimmt gerade erst Fahrt auf.
Mich würde an der Stelle Eure Meinung interessieren. Wie steht ihr zu dem Thema? Welchen Platz haben AI-generierte Bilder (aus künstlerischer Sicht)? Ich freue mich auf die Diskussion und Eure Kommentare.