Lost Place – die alte Werkstatt meines Opas

Ein ganz persönlicher Lost Place ist die alte Werkstatt meines Opas, der in einer Eisenwarenhandlung in einer kleinen bayrischen Kurstadt, in der ich aufgewachsen bin, gearbeitet hat. Alle 1-2 Jahre schaue ich dort vorbei, nur um von außen zu sehen, ob das Gebäude noch steht. Und ja, nach all den Jahrzehnten steht es nahezu unverändert. Ich muss sagen, die Werkstatt sah auch vor 40 Jahren nicht anders aus, als würde die Zeit still stehen.

Nur zu gut kann ich mich erinnern, wenn ich auf meinem Rückweg vom Kindergarten dort angeklopft hatte und meinen Opa zu fragen, ob er mich die restlichen 500m mit dem Auto nach Hause fahren könnte. Geduldig tat er dies über Wochen. Bis er mich eines Tages, ganz freundlich darauf hinwies, daß er mich während der Arbeitszeit nach Hause fahren würde. Er stellte mir die Frage, ob es nicht schöner wäre, wenn er im Anschluss der Arbeit bei mir vorbeifahren würde. Da er dann mehr Zeit für mich hätte.

Mein Opa ist mir als ruhiger, meist unaufgeregter Mann in Erinnerung geblieben. Stets bemüht, uns Jungs Wünsche und kleine Träume zu erfüllen. So wurde auch mal , ins damals einzige Einkaufszentrum nach Rosenheim gefahren. Auschließlich um dort mit den Automatenpfernden und Mini-Karusells zu fahren. In den 70er Jahren war dies ein kleines High-Light. Während Opa dort seinen Kaffee trank, erkundeten wir ausgiebigst die Mini-Fahrgelegenheiten mit scheinbar nie endenden 10Pfennig Stücken.

Eine andere Begebenheit, die mir im Zusammenhang mit Opas oftmals grenzenloser Geduld, war die mit einem neuen Sahnepatronensprüher, den meine Tante meinen Großeltern geschickt hatte. Beim nächsten Sonntagskaffee wurde dieser von uns Kindern auf Herz und Nieren getestet. Jeder wollte ausprobieren, wie die Sahne wie von Zauberhand verziert auf den Kuchenstücken platziert werden konnte. Im Prinzip war der Sahnesprüher eine tolle Errungenschaft. Nur dass die Sahne nicht ausschließlich auf den Tellern, sondern auch auf Opas Brillengläser landete. Für meinen Opa war dies kein Problem. Kommentarlos nahm er seine Brille ab, putzte wortlos die Brillengläser. Bis der nächste von uns an der Reihe war. Das Schauspiel wiederholte sich 3-4 mal, bis jeder ausgiebigst seinen Kuchen verziert hatte.

Mein Opa mit meiner Mutter in den 50iger Jahren

Mein Opa war es auch, der mir meine erste Kamera geschenkt hatte: eine AGFA Isoly mit Rollfilm. Und der mir auch meine ersten Filme und Abzüge beim lokalen Drogisten und Fotohändler sponserte. Meine erste Kamera habe ich immer noch und weiß noch, wie ich mir genau überlegte, welche Motive ich auf den begrenzten Film banne. Wie es sich anfühlte, wenn der Film langsam durch die Rückwand der Kamera durch Drehen transportiert wurde und die Bildnummer im kleinen Sichtfenster wechselte.

Und immer sind irgendwo Spuren deines Lebens:
Gedanken, Bilder, Augenblicke und Gefühle.
Sie werden uns immer an dich erinnern.

An Opa denke ich gerne zurück. Schön ist es daher, an der alten Werkstatt immer noch das emailierte Eingangsschild, die rostige Türklinke und die alte, windschiefe Tür zu sehen. Manchmal ertappe ich mich dabei anzuklopfen. Nur, dass Opa leider nicht mehr öffnen wird. Er ist bereits 1985 verstorben. Schön, dass es die alte Werkstatt noch gibt – ein Stück Kindheit lebt hier fort und wie gesagt ist es für mich ein ganz persönlicher Lost Place.

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